Editorial


Die hier versammelten Texte setzen sich auf unterschiedliche Weise und in Bezug auf die verschiedensten Gegenstände mit Strategien des Entkommens auseinander. Sie fragen nicht nur (im klassischen Sinn) nach Formen des „Eskapismus“, sondern befassen sich mit dem Potenzial von Unterbrechungen, Fluchtbewegungen, Gegenwartsüberschreitungen. Das Versprechen eines kurzfristigen Ausstiegs adressieren sie ebenso wie Entwürfe einer alternativen Wirklichkeit oder die Überwindung der Immanenz der Geschichte. Und oft liegt dabei der Reiz des Entkommens weniger in der Ausrichtung auf ein Ziel als in der spontanen und irrationalen Absetzbewegung selbst …

Theater, Kino, Fernsehen und Internet, sämtliche Medien und Künste werden in den hier vorliegenden Arbeiten als Umschlagplätze angesehen, die zum Entkommen verführen oder Szenarien des Entkommens realisieren. Dabei wird zweierlei deutlich: Zum einen ist das Entkommen in vielfacher Hinsicht an Technologien des Imaginären geknüpft. Und zum anderen gehen mit diesen Technologien des Imaginären Prozesse der Öffnung, des Ereignisses, aber auch der Rahmung und Formatierung einher.

In gewisser Hinsicht ist das Entkommen gegenwärtig zur Alltagspraxis geworden: das Bedienen der esc-Taste gehört jedenfalls zum Arbeitsalltag, ob als Unterbrechung oder nur als Richtungs- oder Kontextwechsel. Wie aber verhält sich diese Form des automatisierten escape! zu anderen (gegenwärtigen und historischen) Formen des Entkommens? In welchen gesellschaftlichen und ästhetischen Zusammenhängen sind Praktiken und Denkfiguren des Umstiegs, der Überschreitung, des Entrinnens etc. von Belang? Und in welchem Verhältnis stehen die Impulse des Ausbruchs zu kulturellen und medialen Formen einer kalkulierten, programmierten Unterbrechung? Wie hat sich der Komplex des Entkommens angesichts konkurrierender, etwa virtueller Wirklichkeiten verändert? Wie lässt sich das politische Potenzial des Entkommens jenseits heroisierender oder stigmatisierender Beschreibungsmuster produktiv machen? Gibt es gar einen revolutionären Eskapismus?

Vom 2.-4. Mai 2013 hat am tfm-Institut der Universität Wien die Konferenz „Escape – Strategien des Entkommens“ stattgefunden. Die Beiträge gehen auf Vorträge zurück, die auf der Konferenz gehalten wurden.

Die technische Umsetzung der Online-Publikation sowie die redaktionelle Bearbeitung der Beiträge wurde im Rahmen einer Lehrveranstaltung maßgeblich von Studierenden am tfm-Institut der Universität Wien realisiert. Wir danken den Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge und den Studierenden Asil Çetin, Jasmin Falk, Bernhard Frena, Nils Gabriel, Julia Kasnitz, Barbara Klaus und Stefan Schweigler für ihr Engagement und ihre kompetente Mitarbeit.

Die Titelbilder der Beiträge wurden uns freundlicherweise von der Fotografin Lena Sudmann für die Publikation zur Verfügung gestellt.

 

Nicole Kandioler, Ulrich Meurer, Vrääth Öhner, Andrea Seier

Herausgeber_innen